Jakob Knapp

Die Schneekönigin

Nur die Liebe kann siegen

Die deutsche Erstaufführung der schwedischen Märchenoper „Die Schneekönigin“ wurde in Stralsund gefeiert.

Kay, dem kalten Jungen im Eisschloss, fällt beim Rätselspiel nicht das Lösungswort „Liebe“ ein, das ihn befreien könnte. Nur seine Freundin Gerda, die das Gefühl in sich bewahren konnte, kann ihn retten. Ihre Tränen beleben sein eisiges Herz und Kay erinnert sich an die Liebe. Ein Märchen – so schön und kitschig – zwischen Fantasiespiel und philosophischem Essay mit klarer Botschaft: Hütet euch vor der Verderbnis der kalten Verstandeswelt und bewahrt euch das Fühlen.

„Die Schneekönigin“, eines der bekanntesten Märchen des dänischen Dichters Hans Christian Andersen von 1844, wimmelt vor Symbolik bezüglich der Gegensätze zwischen Gefühl und Verstand, Kindheit und Erwachsensein. Die Premiere der Märchenoper am Samstagabend im Theater Stralsund versprühte tatsächlich etwas von Andersens atmosphärisch erzählter Symbolik. Und funktionierte: Das Publikum im ausverkauften Saal würdigte die gut einstündige Aufführung mit tosendem Applaus.

Schneekönigin mit eisiger Stimme

Bei der Inszenierung von Horst Kupich handelt es sich um die internationale und deutschsprachige Erstaufführung der Märchenoper „Snödrottningen“ des schwedischen Komponisten Benjamin Staern in einer Übersetzung von Lisa Henningsohn. Das Stück wurde 2016 mit einem Libretto von Anelia Kadieva Jonsson als Auftragswerk der Oper Malmö verfasst.

Kupichs Inszenierung glich in Text, Handlung und Komposition seiner großen Schwester in Malmö. Katarzyna Rabczuk spielte und sang die zerstörerische Schneekönigin hervorragend mit heller, eisiger Stimme. Das Philharmonische Orchester Vorpommern unter der Leitung von Alexander Steinitz unterstrich die Szenerie mit Staerns farbigen Tönen. Einen kalten, unglücklichen Kay spielte authentisch Semjon Bulinsky.

Gerda wächst über sich hinaus

In einigen Punkten unterschied sich Kupichs Inszenierung dann doch: So macht Gerda, feinfühlig von Franziska Ringe dargestellt, die größte Entwicklung durch, wächst mit der Hilfe vieler Freunde, wie der Krähe (Maciej Kozlowski) und der Räubertochter (Pihla Terttunen), über sich hinaus, lernt Verantwortung und Toleranz zu leben. Auch das Ende des Märchens ist anders: Die Gefühl-Verstand-Dichotomie löst sich nicht in einem Sieg über die Schneekönigin, sondern in dem Sieg der Liebe über das Böse auf. Als Zeichen dessen singen die Schneekinder, dargestellt vom Kinderchor des Theaters Vorpommern und der Musikschule Stralsund: „Die Kälte der Welt darf sich nicht weiterverbreiten, lasst Wärme, Liebe und Schönheit uns begleiten“.

Beeindruckend, wie Jakob Knapp, Bühnen- und Kostümbildnerin, Großmutters Wohnzimmer, Blumengarten und Eispalast durch die wechselnde Anordnung von neun an Eiskristalle erinnernde Wandvorhänge darstellt! Die pompösen Kostüme der Schneekönigin, der Blumenfrau und -kinder, der Prinzessin, der Räuber und des Rentiers verliehen dem Stück einen märchenhaften Zauber.

Annemarie Bierstedt, Ostsee-Zeitung.de, 01.12.19